Asylrecht
Deutschland ist eines der wenigen Länder, in dem das Recht auf Asyl in der Verfassung festgeschrieben ist (Art. 16a GG). Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht. Allerdings wurde es mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 stark eingeschränkt. Ein Überblick zur aktuellen Rechtslage:
Das deutsche Asylrecht
Das Recht auf Asyl im Grundgesetz wurde 1993 mit dem sogenannten Asylkompromiss (siehe unten) stark eingeschränkt. Das Grundrecht auf Asyl hat seither in der Praxis an Bedeutung verloren und ist vom EU-Recht abgelöst, das maßgeblich auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 fußt. Seit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags 1999 liegt Asyl- beziehungsweise Flüchtlingsrecht im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union.
Das EU-Recht berücksichtigt jedoch weiterhin viele nationale asylrechtliche Regelungen und Entwicklungen. Die sogenannten Dublin-Verordnungen legen seit 2003 fest, dass grundsätzlich der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über den die Einreise in das EU-Gebiet stattgefunden hat („Verursacherprinzip“).
Theoretisch heißt das für Deutschland, dass es nur dann für die Prüfung der Asylanträge zuständig ist, wenn die Asylsuchenden per Flugzeug nach Deutschland einreisen, was in den meisten Fällen ein Visum voraussetzt. Hinzu kommt, dass einige Länder als „sichere Drittstaaten“ definiert sind. Für Deutschland sind das neben den EU-Mitgliedstaaten Norwegen und die Schweiz. Die EU-Staaten prüfen keine Asylanträge von Menschen, die über einen solchen „sicheren Drittstaat“ einreisen, und verweisen die Betroffenen stattdessen zu den „sicheren Drittstaaten“.Rechtsgrundlage
Im Juni 2013 hat das Europäische Parlament neue Vorschriften für ein gemeinsames europäisches Asylsystem verabschiedet. Die beschlossenen Regelungen erneuern die ungefähr zehn Jahre alte bestehende Gesetzgebung.
Die Einschränkung des Asylrechts in den 90er Jahren
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 80er Jahre und mit dem Jugoslawienkrieg Anfang der 90er Jahre stieg die Zahl der Asylbewerber stark an: Lag die Zahl der Asylanträge 1987 noch bei 57.000, stieg sie laut Asylgeschäftsstatistik 1992 auf 438.000. Bei dieser Zahl handelt es sich allerdings nicht um die tatsächlichen Personenzahlen, da Mehrfach- und Folgeanträge beinhaltet sind. Erst seit 1995 wird nach "Erstanträgen" unterschieden, die der Zahl der neuen Asylbewerber entspricht.
Es folgte eine stark polarisierte Asyl-Debatte, die der Historiker Ulrich Herbert als „eine der schärfsten, polemischsten und folgenreichsten innenpolitischen Auseinandersetzungen der deutschen Nachkriegsgeschichte" bezeichnet. Sie wurde begleitet von gewaltsamen Übergriffen wie den Brandanschlägen in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen auf Asylbewerberunterkünfte und Wohnhäuser von Einwanderern.
Im Jahr 1993 wurde schließlich der sogenannte Asylkompromiss vom Parlament verabschiedet. Dieser sah eine maßgebliche Einschränkung des Artikels 16a des Grundgesetzes vor – wer seither über einen „sicheren Drittstaat“ einreiste, konnte sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen, es sei denn, er kann die gesetzliche Vermutung der Sicherheit in seinem Einzelfall entkräften.Quelle
Aktuelle Asylrechtsreformen
In den vergangenen drei Jahren wurde das deutsche Asylrecht umfassend reformiert. Viele Gesetze sind verschärft worden – etwa um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. Andere Reformen sollen die Integration von Flüchtlingen beschleunigen.
Die wichtigsten Reformen im Überblick:
⇒ November 2014: Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklärt.Weitere Informationen
⇒ November 2014: Das Asylbewerberleistungsgesetz wird reformiert. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden die Grundleistungen angehoben und an das Hartz-IV-Niveau angepasst. Asylbewerber dürfen künftig schon nach drei Monaten einen Job suchen – zuvor waren es neun Monate. Weitere Informationen
⇒ August 2015: Mit dem „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ bekommen "gut integrierte" Langzeit-Geduldete die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Gleichzeitig nennt das Gesetz sechs "konkrete Anhaltspunkte", um abgelehnte Asylbewerber in Abschiebehaft nehmen zu können: Dazu zählen der Versuch, sich der Abschiebung zu entziehen sowie die Bezahlung von "erheblichen Geldbeträgen" für die illegale Einreise.Weitere Informationen
⇒ Oktober 2015: Das sogenannte Asylpaket I wird verabschiedet.
- Asylbewerber sollen bis zu sechs Monate in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen – anstatt wie früher drei Monate. Antragsteller aus "sicheren Herkunftsstaaten" bleiben dort bis zum Ende ihres Verfahrens.
- In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Asylbewerber nur Sachleistungen bekommen.
- Asylbewerber mit "guter Bleibeperspektive" dürfen an Integrationskursen teilnehmen.
- Albanien, Kosovo und Montenegro werden in die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" aufgenommen.
- Der Bund zahlt den Ländern einen Teil der Unterbringungs- und Versorgungskosten für Asylbewerber: 670 Euro Monatspauschale pro Person.Weitere Informationen
⇒ März 2016: Durch das sogenannte Asylpaket II wird das Asylrecht erneut verschärft.
- Über Asylverfahren von Bewerbern aus "sicheren Herkunftsstaaten" und von Menschen, die über ihre Identität täuschen, wird im Eilverfahren entschieden.
- Ein Großteil der Verfahren soll künftig in sogenannten Ankunftszentren bearbeitet werden.
- Solange Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, dürfen sie den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen.
- Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Abzuschiebender reisefähig ist. Nur bei "lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen" können Abschiebungen verschoben werden. Dafür ist eine ärztliche Bescheinigung notwendig. Psychische Erkrankungen wie etwa die post-traumatische Belastungsstörungen werden nicht mehr als Abschiebungshindernis berücksichtigt.
- Subsidiär Schutzberechtigte dürfen bis März 2018 keine Angehörigen nach Deutschland nachziehen lassen.Weitere Informationen
⇒ März 2016: Im Zuge der Debatte um die Kölner Silvesternacht wird das Ausweisungsrecht verschärft: Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für eine Gewalttat und bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung können Asylbewerber ausgewiesen werden.Weitere Informationen
⇒ August 2016: Das Integrationsgesetz tritt in Kraft.
- Asylbewerber können zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet werden. Gleichzeitig werden die Integrationskurse stark ausgebaut.
- Geduldete erhalten einen Aufenthaltsstatus für die gesamte Dauer der Berufsausbildung – plus sechs Monate zur Jobsuche, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung nicht übernommen werden.
- Die „Vorrangprüfung“ entfällt in den meisten Regionen.
- Anerkannte Flüchtlinge dürfen für drei Jahre ihren Wohnort nicht frei wählen ("Wohnsitzauflage").
- Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte erst nach fünf (statt nach drei) Jahren und auch nur, wenn sie "gut integriert" sind.Weitere Informationen
⇒ Juli 2017: Durch das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" werden strengere Regeln für "Geduldete" und sogenannte Gefährder eingeführt.
- Ausreisepflichtige, von denen eine „Gefahr für Leib und Leben Dritter“ ausgeht, sollen in Abschiebehaft genommen werden können. Zudem können sie strenger überwacht werden (etwa mittels elektronischer Fußfesseln).
- Geduldete, die über ihre Identität oder Herkunft täuschen beziehungsweise nicht ausreichend bei der Beschaffung von Reisedokumenten mitwirken, sollen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Außerdem sollen sie ohne Ankündigung abgeschoben werden können – selbst wenn sie bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland leben.
- Die Bundesländer sollen Asylsuchende "ohne Bleibeperspektive" bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen können. Derzeit geht das für maximal sechs Monate.
- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll Handys und andere Datenträger von Geflüchteten überprüfen dürfen, um Informationen über ihre Identität und Herkunft zu gewinnen.
⇒ August 2019: Das Abschiebungs-System wird verschärft, die Asylbewerberleistungen angepasst.
Das zweite Gesetz zur "besseren Umsetzung der Ausreisepflicht" sieht folgende Gesetzesänderungen vor:
- Alle Asylsuchenden müssen künftig bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben – längstens allerdings 18 Monate. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend kooperieren, können sogar länger als 18 Monate in den Einrichtungen bleiben.Quelle
- Ausländerbehörden sollen künftig die Möglichkeit haben, Ausreisepflichtige ohne richterliche Anordnung festzunehmen – etwa wenn sie annehmen, dass die Person untertauchen will.Quelle
- Menschen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, erhalten keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Maximal für zwei Wochen soll es eine "Überbrückungsleistung" geben – allerdings nur einmal innerhalb von zwei Jahren.Quelle
- Geduldete, deren Identität nicht geklärt ist oder denen vorgeworfen wird, bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend mitzuwirken, erhalten künftig eine eingeschränkte Duldung („Duldung light“). Das bedeutet: Sie dürfen ihren Wohnort nicht frei wählen, bekommen weniger Sozialleistungen und dürfen nicht arbeiten.Quelle
- Ausreisepflichtige, die einen Botschafts-Termin zur Feststellung ihrer Identität nicht wahrnehmen, können für 14 Tage in Haft genommen werden ("Mitwirkungshaft").Quelle
- Ausreisepflichtige sollen künftig bis zu zehn Tage in "Ausreisegewahrsam" genommen werden können – unabhängig davon, ob eine Fluchtgefahr besteht.Quelle
- Ausreisepflichtige sollen bis 2022 auch in normalen Gefängnissen untergebracht werden können, allerdings getrennt von Strafgefangenen.Quelle
- Sogenannte Gefährder können in Sicherungshaft genommen werden – auch wenn ihre Abschiebung nicht unmittelbar bevorsteht.Quelle
- Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Informationen über eine geplante Abschiebung weitergeben, machen sich strafbar.Quelle
Mit dem Gesetz zur "Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes" sollen die Bedarfssätze an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden. Das Gesetz sieht jedoch auch Kürzungen vor – etwa für alleinstehende Erwachsene, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Zudem sollen bestimmte Leistungen "zwingend" als Sachleistung erbracht werden.Quelle
Die Kritik: Viele Asylrechtsreformen stießen auf Kritik, sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch von Wissenschaftlern. So stellten die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL und das Deutsche Institut für Menschenrechte die vermeintliche Sicherheit der "sicheren" Herkunftsstaaten wiederholt in Frage. Kritik äußerte im September 2015 auch der Rat für Migration (RfM). "Der aktuelle Plan der Bundesregierung zur Reform des Asylrechts setzt eine Politik fort, die in erster Linie auf Abschottung basiert", sagt Werner Schiffauer, Ethnologe und RfM-Vorsitzender mit Blick auf das Asylpaket I. Auch das Asylpaket II wurde von Juristen und Migrationswissenschaftlern kritisiert – wie auch das Integrationsgesetz und das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht". Das sogenannte "Migrationspaket" von 2019 wurde von Expertinnen und Experten sowie Nichtregierungs-Organisationen wegen tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt.
Asyl oder subsidiärer Schutz? Welche Schutzformen gibt es?
Für die Bearbeitung von Asylanträgen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Hier wird zunächst geprüft, ob Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist: Fällt die Person unter die Dublin-Verordnung, weil sie nachweislich über ein anderes EU-Land eingereist ist, wird der Antrag inhaltlich nicht geprüft und die Person "rücküberstellt".
Grundsätzlich gibt es für Flüchtlinge fünf verschiedene Möglichkeiten, in Deutschland bleiben zu können:
- die Anerkennung nach dem Recht auf Asyl im Grundgesetz (Art. 16a GG),
- die Gewährung von Flüchtlingsschutz auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderer internationaler Abkommen,
- die Gewährung von subsidiärem Schutz, wenn entsprechende Gründe vorliegen
- ein Abschiebungsverbot auf Grundlage der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen
- oder eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, wenn die "Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist" (Duldung).
Was bedeutet Duldung? Wie viele Geduldete gibt es in Deutschland?
Duldung heißt: Ausreisepflichtige dürfen vorübergehend in Deutschland bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können. Das liegt meist daran, dass sie keine Ausweisdokumente nachweisen können oder eine Krankheit haben, die im Herkunftsland nicht behandelt werden kann. Geduldete haben somit keinen gesicherten Aufenthalt, rein rechtlich können sie jederzeit abgeschoben werden.Rechtsgrundlage
Die Duldung ist befristet. Die Dauer wird von der zuständigen Ausländerbehörde je nach Fall und Belastung der Behörde festgelegt. Nach dem Ablauf dieser Frist können Ausreisepflichtige eine weitere Duldung bekommen – dabei spricht man oft von "Kettenduldungen".
Geduldete erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Solche, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, haben ab dem Tag nach dem Ausreisetermin keinen Anspruch mehr auf Leistungen. Geduldete, die selber ihre Abschiebung verhindern, können zudem mit Leistungskürzungen bestraft werden.
Die Zahlen
Zum Stichtag 30. Juni 2020 lebten in Deutschland 220.907 Geduldete. Von ihnen waren 148.840 abgelehnte Asylbewerber*innen.Quelle
Aufenthaltserlaubnis für Langzeit-Geduldete
Seit 2015 können "Langzeit-Geduldete" eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Das betrifft zwei Gruppen:
- Geduldete, die "nachhaltig integriert" sind. Nachhaltig integriert heißt: Sie leben schon länger in Deutschland und verdienen ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst. Bei Alleinstehenden müssen es mehr als acht Jahre sein, bei Familien mit minderjährigen Kindern mehr als sechs Jahre.
- Jugendliche (14 bis 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21), die vier Jahre in der Bundesrepublik gelebt oder hier einen Schul- oder Berufsabschluss erworben haben. Auch ihre Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner können dann ein Bleiberecht bekommen.
Was ist die "Dublin-Verordnung"?
Die Dublin-Verordnung regelt, welcher EU-Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Demnach ist in der Regel immer der erste Mitgliedstaat zuständig, über den die EU betreten wurde (Erststaatsprinzip). Unter anderem soll so verhindert werden, dass eine Person mehrere Asylanträge in verschiedenen EU-Ländern stellt. In der Praxis funktioniert die Verordnung allerdings kaum noch.
Die Kritik
Eine Studie des "Migration Policy Institute" aus dem Jahr 2015 offenbart Schwächen im Dublin-System: Das gesamte Asylverfahren bei "Dublin-Fällen" werde durch die aktuelle Regelung um etwa ein Jahr verzögert. Und nur rund ein Drittel der Flüchtlinge, die innerhalb der EU weiterreisen, werden ins Einreiseland zurückgeschickt.
Auch die Europäische Kommission ist mit dem aktuellen System unzufrieden: Schon im Mai 2015 beklagte sie in ihrer „Migrationsagenda“, dass die Verordnung keine Wirkung zeigt. Einen ersten Reformentwurf hat der "Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments" (LIBE) im September 2016 veröffentlicht.
Was sind "sichere Herkunftsstaaten"?
Der rechtliche Begriff "sicherer Herkunftsstaat" ist im EU-Recht verankert: Die Asylverfahrensrichtlinie bestimmt, dass Mitgliedstaaten einzelne Länder als "sicher" einstufen können, wenn dies von internationalen Informationsquellen wie dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) und dem Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bestätigt wird.
Mit der Ausnahme von Italien und Schweden führen alle EU-Mitgliedstaaten eine Liste von "sicheren Herkunftsstaaten". Anträge von Asylbewerber*innen aus diesen Staaten werden im Eilverfahren bearbeitet und in der Regel abgelehnt.
In Deutschland ist das Prinzip der "sicheren Herkunftsstaaten" im Grundgesetz verankert und im Asylgesetz konkretisiert. Demnach soll die Bundesregierung unter anderem alle zwei Jahre die Sicherheitslage in den "sicheren Herkunftsstaaten" prüfen und die Liste gegebenenfalls anpassen.
Seit Oktober 2015 gelten neben Senegal, Ghana, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien auch Kosovo, Albanien und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten". Ein Gesetz zur Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als "sicher" wurde im Mai 2016 vom Bundestag verabschiedet und später vom Bundesrat kassiert. Die Bundesregierung hat im Juli 2018 erneut einen Gesetzentwurf beschlossen, um diese drei Maghreb-Staaten sowie Georgien als "sicher" einzustufen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht bei Asylanträgen aus sicheren Herkunftsstaaten "im Regelfall davon aus, dass in diesen Staaten keine Gefahr der asylrelevanten Verfolgung für den Antragsteller droht." Wenn ein*e Asylbewerber*in aus einem solchen Staat kommt, wird ihr/sein Antrag regelmäßig als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Die Ausreisefrist verkürzt sich auf eine Woche – anstatt 30 Tage wie bei anderen abgelehnten Asylbewerbern. Asylbewerber*innen aus "sicheren Herkunftsstaaten" müssen für die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen.
Weitere Informationen zur Auswirkung der "sicheren Herkunftsstaaten"-Regelung auf das Asylverfahren und die Asylbewerber finden Sie in unserem Artikel vom Mai 2016.
KRITIK
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisieren, dass mehrere Staaten auf der Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" für bestimmten Menschengruppen durchaus unsicher seien. Das geht aus einigen Gutachten und Stellungnahmen über die Lage in den einzelnen "sicheren Herlunftsstaaten" hervor.
Was ist das "Kirchenasyl"?
Droht Flüchtlingen die Abschiebung oder sind sie ein "Dublin-Fall", können sie unter Umständen im sogenannten "Kirchenasyl" unterkommen. Einige Kirchengemeinden in Deutschland nehmen vorübergehend Asylsuchende auf. Dadurch soll Zeit gewonnen werden, damit die Behörden das Asylverfahren erneut überprüfen können und alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden.
1983 wurde das erste Kirchenasyl in Berlin gewährt und zehn Jahre später die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gegründet. Der Statistik des Vereins zufolge befanden sich zum Stichtag 11. August 2020 rund 540 Menschen in "Kirchenasylen", darunter 117 Kinder. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der "Kirchenasyle" um rund 23 Prozent zurückgegangen.Quelle
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