Bevölkerung
Wie setzt sich die Bevölkerung in Deutschland zusammen? Wie viele Einwanderer und Nachkommen von Einwanderern sind darunter? Bevölkerungsstatistiken sind oft nicht eindeutig. Wir zeigen, welche Statistik was aussagt.
Wie viele "Ausländerinnen" und "Ausländer" leben in Deutschland?
Die Zahl der "Ausländer*innen" – also der Einwohner*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit – variiert je nach Erhebung zwischen 10,1 und 11,2 Millionen.
- Laut "Ausländerzentralregister" (AZR) lebten Ende 2019 rund 11,2 Millionen "Ausländer*innen" in Deutschland. Damit stieg die Zahl im Jahresverlauf um 2,9 Prozent (rund 313.000 Personen). Dieser Zuwachs entspricht in etwa dem des Jahres 2018 (+ 2,7 Prozent). Die größten Zuwächse verzeichnete das AZR im Jahr 2019 aus Rumänien (+ 52.000 Personen), Syrien (+ 44.000 Personen) und Bulgarien (+ 23.000 Personen).Quelle
- Die "Bevölkerungsfortschreibung" zählte für Ende 2019 rund 10,4 Millionen "Ausländer*innen". Anders als das AZR beruht die "Bevölkerungsfortschreibung" auf dem "Zensus 2011", der bis dato aktuellsten Volkszählung in Deutschland.Quelle
- Laut Mikrozensus lebten 2019 rund 10,1 Millionen ausländische Staatsbürger*innen in Deutschland.Quelle
Welche Zahl am verlässlichsten ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Expert*innen vermuten jedoch, dass die Zahlen des AZR zu hoch sind. Der Grund: Das AZR wurde zuletzt im Jahr 2004 "bereinigt", das heißt mit den Daten der regionalen Ausländerbehörden abgeglichen. Damals musste die Zahl der "Ausländer*innen" stark nach unten korrigiert werden. Auch ein Abgleich des AZR mit dem Zensus 2011 war bislang nicht möglich – aus "technischen und rechtlichen Gründen", wie das Statistische Bundesamt erklärt.
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland?
2019 lebten in Deutschland rund 21,2 Millionen Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund – das entspricht 26 Prozent der Bevölkerung. 2018 lag der Anteil bei 25,5 Prozent.
- Knapp 11,1 Millionen von ihnen haben einen deutschen Pass.
- Rund 10,1 Millionen sind Ausländerinnen und Ausländer.
- Rund 13,7 Millionen haben "eigene Migrationserfahrung", sind also im Ausland geboren und eingewandert.Quelle
Deutschlands Einwohner mit "Migrationshintergrund" sind deutlich jünger als diejenigen ohne. Menschen mit Migrationshintergrund waren 2019 im Schnitt 35,6 Jahre alt, diejenigen ohne Migrationshintergrund hingegen 47,3 Jahre.Quelle
Das Geschlechterverhältnis unter Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheidet sich kaum. Ende 2019 waren etwa 51,1 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund Frauen. Bei den Menschen mit Migrationshintergrund lag der Frauenanteil bei rund 48,9 Prozent.Quelle
In einer Expertise für den MEDIENDIENST erläutert die Sozialanthropologin Anne-Kathrin Will, wie Zuwanderer und ihre Nachkommen in der Statistik erfasst werden. Wie andere europäische Länder den „Migrationshintergrund“ erfassen, erklärt die Soziologin Linda Supik hier.
Was sind die größten Einwanderergruppen in Deutschland?
Von den 21,2 Millionen Menschen mit "Migrationshintergrund" haben
- 13,3 Prozent einen türkischen Migrationshintergrund (rund 2,8 Millionen),
- 10,5 Prozent einen polnischen Migrationshintergrund (rund 2,2 Millionen),
- 6,5 Prozent einen russischen Migrationshintergrund (rund 1,4 Millionen).Quelle
Von den 13,7 Millionen Menschen, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, kommen die meisten aus Europa: rund 67 Prozent aus europäischen Ländern (inklusive Türkei), rund 39 Prozent aus EU-Mitgliedsstaaten.Quelle
Wer sind die "Aussiedler" und "Spätaussiedler"?
Deutsche "Volkszugehörige" aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion – sogenannte Aussiedler*innen und Spätaussiedler*innen – waren 2019 dem Mikrozensus zufolge mit gut 2,6 Millionen Menschen die zweitgrößte Einwanderergruppe in der Bundesrepublik, knapp hinter der Gruppe der Türkeistämmigen. 2016 ging das Statistische Bundesamt noch davon aus, dass 3,2 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler in Deutschland leben. Laut dem Statistischen Bundesamt wird die Gruppe seit 2017 genauer erfasst, etwa weil das Geburtsland und das der Eltern neuerdings mit abgefragt wird. Dadurch wurde deutlich, dass viele Menschen zuvor mitgezählt wurden, die nicht unter die Definition von Aussiedlern und Spätaussiedlern fallen – etwa weil sie ihren Geburtsort außerhalb von Europa und Asien haben.Quelle
Laut Definition des Bundesinnenministeriums handelt es sich bei Aussiedler*innen und Spätaussiedler*inen um "Personen deutscher Herkunft, die in Ost- und Südosteuropa sowie in der Sowjetunion unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges gelitten haben (und die) noch Jahrzehnte nach Kriegsende aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit massiv verfolgt" wurden. Sie genießen seit der frühen Nachkriegszeit einen besonderen Schutz in der Bundesrepublik. 1953 bot ihnen die Bundesregierung unter Konrad Adenauer mit dem Bundesvertriebenengesetz an, gemeinsam mit ihren Familien einzuwandern und hier volle Bürgerrechte zu genießen, die ihnen nach dem Grundgesetz zustehen. Die meisten Spätaussiedler kamen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, dort vor allem aus Russland und der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan, wohin das Stalin-Regime die "Russlanddeutschen" während der Kriegszeit verbannt hatte.Quelle
Zahl der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland
Laut Mikrozensus lebten 2019 in Deutschland rund 2,8 Millionen Menschen mit Migrationsbezügen zur Türkei. Damit stellen sie die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen (rund 1,5 Millionen) ist in Deutschland geboren.Quelle
Welche Staatsangehörigkeit haben sie?
Angaben zur Staatsangehörigkeit Türkeistämmiger finden sich in unterschiedlichen statistischen Quellen. Laut Mikrozensus hatten 2019 etwa 1,4 Millionen Türkeistämmige einen deutschen Pass, 252.000 waren "Doppelstaatler*innen".Quelle
Hingegen hatten dem letzten Zensus von 2011 zufolge knapp 530.000 Menschen sowohl den deutschen als auch den türkischen Pass.Quelle
Die Zensus-Zahlen, die hauptsächlich auf Auswertungen von Melderegistereinträgen beruhen, dürften zu hoch liegen. Das liegt unter anderem daran, dass die türkischen Behörden die deutschen nicht immer informieren, wenn sie eine Person ausgebürgert haben. Die Mikrozensus-Zahlen hingegen, die auf einer Selbstauskunft der Befragten beruhen, dürften zu niedrig sein. Das liegt unter anderem daran, dass die Befragten ihre zweite Staatsangehörigkeit nicht immer angeben.
Das Ausländerzentralregister (AZR) erfasst nur ausländische Staatsangehörige: Rund 1,5 Millionen Menschen hatten Ende 2019 demzufolge einen türkischen Pass. Wie viele der im AZR registrierten Ausländer auch einen deutschen Pass haben, wird nicht erhoben.Quelle
Welche Wanderungsbewegungen gibt es zwischen Deutschland und der Türkei?
2019 sind laut Statistischem Bundesamt rund 44.000 türkische Staatsangehörige nach Deutschland gezogen, etwa 25.000 verließen Deutschland. 2018 gab es rund 41.000 Zuzüge und etwa 24.000 Fortzüge, 2017 waren es fast 34.000 Zuzüge und 21.000 Fortzüge, im Jahr 2016 rund 29.000 Zuzüge und fast 25.000 Fortzüge. In den Jahren davor war die Abwanderung von türkischen Staatsangehörigen hingegen größer als ihre Zuwanderung (alle Angaben nach Staatsangehörigkeit).Quelle
Zahlen und Fakten zur neueren Migration aus der Türkei haben wir 2020 in einem Factsheet zusammengestellt. Zu den politischen Einstellungen, zur Religiosität und zum Zugehörigkeitsgefühl von Türkeistämmigen hat der Integrationsforscher Hacı-Halil Uslucan 2017 einen Gastbeitrag für den MEDIENDIENST verfasst.
Kann Einwanderung den demografischen Wandel aufhalten?
"Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland wird sich trotz hoher Nettozuwanderung und gestiegener Geburtenzahlen weiter verstärken", schrieb das Statistische Bundesamt im Juni 2019. Die erwerbsfähige Bevölkerung werde von 51,8 Millionen im Jahr 2018 um rund 4 bis 6 Millionen bis 2035 schrumpfen, so die Prognose. Ohne Nettozuwanderung würde der Rückgang sogar rund 9 Millionen betragen. Laut Statistischem Bundesamt werde auch eine "steigende Geburtenhäufigkeit und eine dauerhaft hohe Nettozuwanderung die Alterung lediglich abbremsen und nicht verhindern können."Quelle
Wie viele Migrantinnen und Migranten gibt es weltweit?
Laut den Vereinten Nationen (UN) gab es 2019 weltweit rund 272 Millionen Migrant*innen. Dazu zählen laut UN alle Menschen, die außerhalb des Landes leben, in dem sie geboren sind. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl deutlich gestiegen: 1990 lag sie noch bei rund 153 Millionen.Quelle
2019 kamen die meisten Migrantinnen und Migranten aus Indien, Mexiko und China. Die Länder, in denen die meisten Migranten lebten, waren die USA (mehr als 50 Millionen), Deutschland und Saudi-Arabien (jeweils rund 13 Millionen).Quelle
WIE HÄTTE SICH DIE BEVÖLKERUNG OHNE EINWANDERUNG ENTWICKELT?
News Zum Thema: Bevölkerung
Migrant*innen aus Indien Jung und gut ausgebildet
39.000 Inder*innen migrierten 2019 nach Deutschland. Das war ein neuer Rekord. Der MEDIENDIENST hat wichtige Zahlen und Fakten zur Migration von Indien nach Deutschland zusammengestellt.
Mikrozensus Wer hat einen "Migrationshintergrund"?
Seit langem kritisieren Forscher*innen, wie der "Migrationshintergrund" erfasst wird. Zuletzt gab es einige Änderungen in der Definition und Erhebung. Die Sozialanthropologin Anne-Kathrin Will schreibt dazu: Die Neuerungen haben den "Migrationshintergrund" noch undurchsichtiger gemacht.
Factsheet Neuere Migration aus der Türkei
Die Zahl der Zuzüge aus der Türkei steigt seit 2016. Was sind die Gründe dafür? Der MEDIENDIENST hat wichtige Zahlen und Fakten dazu zusammengestellt.