Politische Teilhabe
Wer darf in Deutschland wählen?
Wählen darf, wer Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist (Artikel 116) und das jeweilige Mindestalter erreicht hat. Deutsche Staatsangehörige können an Bundes-, Landtags-, Kommunal- und Europawahlen sowie Volksabstimmungen teilnehmen. Bei Ausländern gibt es Unterschiede:
- Seit 1992 dürfen Ausländer mit einer EU-Staatsangehörigkeit an Kommunalwahlen teilnehmen. Um das zu ermöglichen, musste der Bundestag das Grundgesetz ändern. Auch an der Wahl zum Europäischen Parlament können sie in Deutschland teilnehmen.
- Drittstaatsangehörige besitzen weder das Recht, ihre Stimme abzugeben (aktives Wahlrecht), noch können sie sich selbst zur Wahl stellen (passives Wahlrecht).Quelle
Wie viele Wahlberechtigte haben einen Migrationshintergrund?
In Deutschland lebten 2019 rund 7,4 Millionen volljährige Deutsche mit Migrationshintergrund. Das geht aus den Daten des Mikrozensus 2019 hervor. Sie dürfen an der Bundestagswahl teilnehmen. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 machten Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten aus. Vor der Bundestagswahl 2013 waren es noch rund neun Prozent.Quelle
Der Anteil der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund an allen Wahlberechtigten fällt je nach Region unterschiedlich aus: In Bundesländern wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Hessen lag der Anteil 2017 bei über 12,5 Prozent. In den neuen Bundesländern waren es zwischen 1,3 und 2 Prozent.Quelle
Welche Parteien wählen Menschen mit Migrationshintergrund?
Ein Forschungsteam der Universitäten Duisburg-Essen und Köln hat rund 500 Türkeistämmige und 500 Russlanddeutsche zu ihrem Wahlverhalten befragt. Aus der Umfrage geht hervor: Die SPD ist unter den Deutschtürken mit 35 Prozent die beliebteste Partei. Fast ein Drittel der Russlanddeutschen haben hingegen CDU/CSU gewählt (siehe Grafik).Quelle
Die Umfrage zeigt außerdem: Es gibt starke Unterschiede zwischen dem Wahlverhalten von Deutschtürken und Russlanddeutschen, die nur die deutsche Staatsbürgerschaft haben und denjenigen, die beide Staatsangehörigkeiten besitzen. So haben 24 Prozent der Deutschtürken, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, die CDU/CSU gewählt. Bei den Doppeltstaatlern waren es hingegen nur zwei Prozent. Letztere haben auch zu 28 Prozent "Die Linke" gewählt, gegenüber 14 Prozent der Personen, die nur die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Auch unter den Russlanddeutschen gibt es Unterschiede: Fast ein Viertel der Russlanddeutschen, die auch die russische Staatsbürgerschaft haben, haben die "Alternative für Deutschland" gewählt. Unter den Russlanddeutschen mit nur der deutschen Staatsangehörigkeit waren es 14 Prozent.
Eine repräsentative Untersuchung des SVR-Forschungsbereichs aus dem Jahr 2018 stellt fest, dass CDU und CSU mit 43,2 Prozent erstmals die beliebtesten Parteien unter Menschen mit Migrationshintergrund seien. Für die Untersuchung wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 mehr als 9.000 Menschen befragt, darunter auch Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Die Fragestellung lautete: "Welche Partei gefällt Ihnen zurzeit am besten?"Quelle
Laut der Untersuchung hat die SPD von 2016 auf 2018 rund 15 Prozentpunkte verloren und kommt auf 25 Prozent Zustimmung. Die Grünen und Linken landen bei jeweils rund 10 Prozent, FDP und AfD bei etwa 5 Prozent. Die Wahlpräferenzen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gleichen sich in Bezug auf CDU/CSU und SPD an, so die Autoren der Studie.Quelle
Unter den (Spät-)Aussiedlern gaben rund 41 Prozent an, dass ihnen die Unions-Parteien zurzeit am besten gefallen – rund 5 Prozentpunkte weniger als 2016. 15 Prozent favorisieren die SPD, das sind etwa 10 Prozentpunkte weniger als 2016. Die Linke landet bei knapp 16 Prozent Zustimmung, die AfD bei 12 Prozent.Quelle
Der Untersuchung zufolge wenden sich viele Türkeistämmige von der SPD ab und der Union zu. 37 Prozent der befragten Türkeistämmigen geben an, dass ihnen die SPD am besten gefällt – 2016 waren es noch knapp 70 Prozent. Und 33 Prozent favorisierten die Unions-Parteien, 27 Prozentpunkte mehr als 2016.Quelle
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund gehen wählen?
Menschen mit Migrationshintergrund nutzen ihr Stimmrecht bei Bundestagswahlen offenbar seltener als andere Wahlberechtigte. Nach der Bundestagswahl 2013 gaben bei einer Befragung 74,6 Prozent der Menschen mit Migrationsbezügen an, ihre Stimme abgegeben zu haben. Bei den übrigen Befragten lag dieser Wert bei 87,2 Prozent.
Auffällig ist, dass es zwischen der ersten und zweiten Generation große Unterschiede bei der Wahlbeteiligung gibt: Von den selbst zugewanderten Befragten hatten sich 70,8 Prozent an der Wahl beteiligt. In der zweiten Generation hatten 79,2 Prozent ihre Stimme abgegeben.Quelle
Eine Untersuchung der Universitäten Duisburg-Essen und Köln zum Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 2017 zeigt, dass die Wahlbeteiligung von Türkeistämmigen bei 64 Prozent lag und die von Russlanddeutschen bei 58 Prozent. Zum Vergleich: Laut amtlichen Angaben lag die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl für alle Wahlberechtigten bei 76,2 Prozent.Quelle
Wie viele Abgeordnete haben einen Migrationshintergrund?
Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil (rund 26 Prozent) sind Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund sowohl im Bundestag als auch in den Landes- und Kommunalparlamenten deutlich unterrepräsentiert. Das belegen die wenigen vorliegenden Untersuchungen.Quelle
BUNDESTAG:
Recherchen des MEDIENDIENSTES aus dem Jahr 2017 zeigen: Im Bundestag sitzen 58 Parlamentarier mit Migrationshintergrund. Im Verhältnis zu allen 709 Abgeordneten stammen somit 8,2 Prozent aus Einwandererfamilien.
Der Blick in die einzelnen Fraktionen zeigt:
- Die Linke hat mit 18,8 Prozent den höchsten Anteil an Abgeordneten mit Migrationshintergrund
- bei den Grünen haben 14,9 Prozent der Parlamentarier einen Migrationshintergrund
- in der SPD sind es 9,8 Prozent
- der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund in der AfD liegt bei 8,7 Prozent
- bei der FDP sind es 6,3 Prozent
- mit 2,9 Prozent in der CDU/CSU-Fraktion sind hier anteilig die wenigsten Menschen mit Migrationshintergrund vertreten.
LANDTAGE:
Auch in den Landesparlamenten sind Abgeordnete mit Migrationshintergrund deutlich unterrepräsentiert. Das geht aus dem Integrationsmonitoring der Länder hervor. Demzufolge stellten Politikerinnen und Politiker mit Migrationshintergrund 2015 durchschnittlich nur 4,5 Prozent der Landtags-Abgeordneten. Allerdings hat ihr Anteil insgesamt zugenommen: 2005 lag er noch bei 1,4 Prozent.Quelle
KOMMUNALE PARLAMENTE:
Zum Anteil der Mandatsträger mit Migrationsbezügen in den Kommunen gibt es keine aktuellen Erhebungen. Zuletzt hat das eine Studie des Max-Planck-Instituts untersucht. Sie wurde zwischen 2006 und 2011 in den damals 77 deutschen Großstädten durchgeführt. Demnach hatten 4 Prozent der Stadtratsmitglieder einen Migrationshintergrund.Quelle
Wie viele Bürgermeister haben einen Migrationshintergrund?
Nur fünf von 335 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern (OB) in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – das entspricht 1,5 Prozent. Das zeigt eine Recherche des Mediendienstes aus dem Oktober 2020. Zum Vergleich: In der Bevölkerung haben 26 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund.Quelle
Die fünf Oberbürgermeister mit Migrationshintergrund gehören zu folgenden Parteien:
- CDU (2),
- FDP (1),
- GRÜNE (1) und
- parteilos (1).
Einer der fünf Oberbürgermeister mit Migrationshintergrund hat ausschließlich die dänische Staatsbürgerschaft, nämlich der Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos), der seit 2019 im Amt ist. Es gibt keine Frauen mit Migrationshintergrund in diesem Amt.Quelle
Spezial: Türkei-Wahlen in Deutschland
Am 24. Juni 2018 wurde in der Türkei über einen neuen Staatspräsidenten und ein neues Parlament abgestimmt. Auch türkische Staatsangehörige in Deutschland konnten ihre Stimme abgeben. Bei der Präsidentschaftswahl erhielt Präsident Recep Tayyip Erdogan (AKP) insgesamt 52,53 Prozent aller abgegebenen Stimmen. In Deutschland stimmten laut türkischen Medienberichten 64,8 Prozent der Wähler für Erdogan (ca. 422.000).Quelle
Präsidentschaftswahlen in der Türkei 2018 / Ergebnisse in Deutschland:
Sind zwei Drittel der "Deutsch-Türken" Anhänger von Tayyip Erdogan?
Das Wahlergebnis lässt sich nicht auf alle Menschen mit türkischen Migrationsbezügen, die in Deutschland leben, hochrechnen. Laut Mikrozensus leben in Deutschland rund 2,8 Millionen Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund. Etwa die Hälfte von ihnen hat (auch) einen türkischen Pass und war damit wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag bei knapp 46 Prozent, etwa 660.000 Wähler haben also abgestimmt. Von ihnen haben 64,8 Prozent für Erdogan gestimmt.
Eine Studie der Universität Duisburg-Essen legt nahe, dass unter Doppelstaatern und Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund die Zustimmung zur AKP und Erdogan geringer ist als unter türkischen Staatsangehörigen. So gaben nach dem Verfassungsreferendum vom April 2017 lediglich 16 Prozent der deutschen Staatsangehörigen mit türkischen Migrationsbezügen an, dass sie für eine neue Verafssung gestimmt hätten, wenn sie wahlberechtigt gewesen wären. Vor allem Erdogan und seine AKP warben für eine neue Verfassung.
Verfassungsreferendum im April 2017
Am 16. April 2017 wurde in der Türkei über eine neue Verfassung abgestimmt. Sie sollte Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) deutlich mehr Macht verschaffen und das Land zu einem Präsidialsystem umbauen.
Erdoğan hat das Referendum knapp gewonnen.Die Änderungen sollen schrittweise umgesetzt werden.
Auch im Ausland lebende Türken konnten abstimmen. In Deutschland waren rund 1,4 Millionen Menschen wahlberechtigt und stellten damit fast die Hälfte aller potentiellen Wähler im Ausland.
GRAFIK: Amtliche Ergebnisse des Referendums vom April 2017
Länder mit den meisten Wahlberechtigten und Zahl der abgegebenen "Ja"- bzw. "Nein"-Stimmen
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
- In Deutschland lag die Wahlbeteiligung bei rund 46,2 Prozent. Von den Wählern stimmten 63,1 Prozent für die neue Verfassung. Das entspricht rund 412.000 Stimmen. 36,9 Prozent der Wähler stimmten dagegen. Das entspricht etwa 241.000 Stimmen.
- Insgesamt (Türkei und alle anderen Länder) lag die Wahlbeteiligung bei 85,4 Prozent.
- In allen Ländern inklusive der Türkei stimmten 51,4 Prozent mit "Ja", 48,6 Prozent mit "Nein".
- In den meisten europäischen Ländern mit größeren türkischen Wählergruppen überwogen die Befürworter. Eine Ausnahme bildete die Schweiz, wo 61,9 Prozent der Wähler gegen die neue Verfassung stimmten. Die Gegner der Reform überwogen auch in Ländern wie den USA und Australien (83,8 bzw. 58,2 Prozent).Quelle
Zum Vergleich: Wie haben Türken in Deutschland bei den PARLAMENTSWAHLEN 2015 abgestimmt?
Nachdem eine Koalitionsbildung gescheitert war, wurden die Parlamentswahlen vom Juni 2015 im November erneut durchgeführt. Dabei bekamen die Erdoğan-Partei AKP und die prokurdische HDP in Deutschland prozentual mehr Stimmen als insgesamt.
- In Deutschland stimmten rund 60 Prozent der Wähler für die AKP (das entspricht rund 340.000 Menschen). In allen Ländern zusammen stimmten nur rund 50 Prozent für die AKP.
- Die HDP kam in Deutschland auf 16 Prozent der Wählerstimmen (rund 91.000 Menschen). Insgesamt hingegen stimmten nur knapp 11 Prozent für die prokurdische Partei.
Die Wahlbeteiligung blieb in Deutschland weit unter dem Durchschnitt. Hierzulande stimmten nur rund 41 Prozent der insgesamt 1,41 Millionen Wahlberechtigten ab. Das entspricht rund 575.700 Menschen. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung jedoch bei rund 85 Prozent.Quelle
GRAFIK: Ergebnisse der türkischen Parlamentswahlen von November 2015
Länder mit den meisten Wahlberechtigten und Stimmenanteile:
News Zum Thema: Politik
Oberbürgermeister Nur 2 Prozent haben einen Migrationshintergrund
In wenigen Städten regieren Menschen mit Migrationshintergrund. Deutschlandweit sind es gerade einmal zwei Prozent, in NRW vier Prozent. Diese Zahlen hat der MEDIENDIENST anlässlich der Kommunalwahlen in NRW recherchiert. Frauen mit Migrationshintergrund kommen im Oberbürgermeister*innen-Amt nicht vor.
Türkei-Wahlen Wie wurde in Deutschland abgestimmt?
Zwei Drittel der "Deutsch-Türken" seien Anhänger von Recep Tayyip Erdogan (AKP), heißt es oft seit den türkischen Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag. Doch ein genauerer Blick zeigt: Das Wahlergebnis lässt sich nicht auf alle Türkeistämmigen in Deutschland hochrechnen.
Türkei-Wahlen in Deutschland Integrationsdebatten beeinflussen die Wahlentscheidung
Türkische Staatsbürger, die in Deutschland leben, können noch bis zum 19. Juni ihre Stimme für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei abgeben. Bei einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES in Köln betonten Experten: Die Stimmung vor der Wahl sei von Angst geprägt. Dass vermutlich viele Türkeistämmige für Präsident Erdoğan stimmen werden, liege auch an einer "gehässig geführten" Debatte über Integration.