Arbeitsmarkt
Ob eingewandert oder nicht – einen Beruf und eine Arbeit zu haben, ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft. Hier sind allerdings deutliche Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu erkennen.
Menschen mit Migrationshintergrund in Arbeit
Die überwiegende Mehrheit der Menschen mit "Migrationshintergrund" geht einer bezahlten Tätigkeit nach. Das zeigen die Erwerbstätigenquoten von 2019 aus dem Mikrozensus:
- 94,6 Prozent bei Menschen mit Migrationshintergrund
- 93,1 Prozent bei ausländischen Staatsbürger*innen (zum Vergleich: 97,6 Prozent bei Deutschen ohne Migrationshintergrund).Quelle
Einen weiteren Hinweis gibt die Beschäftigungsquote von ausländischen Staatsangehörigen, sie liegt nicht für Menschen mit Migrationshintergrund vor. Die Quote zeigt, wie viele Personen sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt sind und lag 2019 bei ausländischen Staatsbürger*innen niedriger als beim Durchschnitt der Gesamtbevölkerung:
- Beschäftigte insgesamt: 67,7 Prozent
- Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft: 51,8 Prozent.Quelle
Woran liegt das? Ein Grund: Viele ausländische Staatsbürger*innen arbeiten als Selbstständige oder mithelfende Familienangehörige. Damit sind sie zwar erwerbstätig, tauchen aber nicht Beschäftigte in der Beschäftigungsstatistik auf (siehe unten).
Erwerbstätigkeit und Beschäftigung - was ist der Unterschied?
Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu messen, gibt es zwei wichtige Statistiken: die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit und die Erwerbstätigenstatistik des Statistischen Bundesamtes. Sie werden unterschiedlich erhoben. Je nach Sachverhalt muss man sich für eine Statistik entscheiden.
Beschäftigungsstatistik: Die Bundesagentur für Arbeit zählt, wer sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt ist und von den Arbeitgeber*innen gemeldet wird. Selbständige werden hier zum Beispiel nicht erfasst. Die Beschäftigungsstatistik wird monatlich aktualisiert, bietet allerdings nur Zahlen zu deutschen und ausländischen Beschäftigten, nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund.
Erwerbstätigenstatistik: Das Statistische Bundesamt erhebt in der Befragung zum Mikrozensus Erwerbstätige, unabhängig davon, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten. Schon ab einer Stunde bezahlter Tätigkeit pro Woche zählt eine Person als erwerbstätig. Auch Selbstständige werden gezählt sowie Beamte oder Auszubildende. Die Erwerbstätigenstatistik wird einmal pro Jahr aktualisiert und bietet Zahlen zu deutschen und ausländischen Staatsbürger*innen sowie der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Quelle
Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund
Eindeutige Statistiken zur Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nicht, da sie nicht gesondert in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Es gibt aber Hinweise darauf, dass sie häufiger arbeitslos sind.
Das zeigt etwa die Hochrechnung des Mikrozensus, einer repräsentativen jährlichen Haushaltsbefragung. Dort geben Menschen mit Migrationshintergrund etwa doppelt so oft an, erwerbslos zu sein wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass sie keiner bezahlten Arbeit nachgehen – unabhängig davon, ob sie bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet sind oder nicht. 2019 lagen die Erwerbslosenquoten dem Mikrozensus zufolge:
- bei Deutschen ohne Migrationshintergrund bei 2,4 Prozent (rund 778.000 Erwerbslose),
- bei Menschen mit Migrationshintergrund bei 5,4 Prozent (rund 593.000 Erwerbslose)
- und bei Ausländer*innen bei 6,9 Prozent (rund 392.000 Erwerbslose).Quelle
Hinweise bieten außerdem die Arbeitslosenquoten. Für die Arbeitslosenquoten wird gezählt, wer bei der Bundesagentur für Arbeit als "arbeitslos" gemeldet ist. Menschen mit Migrationshintergrund werden in der Arbeitslosenstatistik nicht getrennt erfasst. Erfasst werden aber ausländische Staatsbürger*innen in Deutschland (sie machen etwa die Hälfte aller Menschen mit Migrationshintergrund aus). Im Januar 2020 lagen die Arbeitslosenquoten:
- bei der Bevölkerung insgesamt bei 6,2 Prozent
- bei der Bevölkerung mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei 13,3 Prozent.Quelle
Auch in anderen OECD-Ländern sind Zuwander*innen häufiger arbeitslos. Im internationalen Durchschnitt lag im Jahr 2018 die Arbeitslosenquote von Menschen, die nicht im Land geboren waren, um 2,4 Prozentpunkte höher als bei Einheimischen. Allerdings ist dieser Unterschied in den letzten Jahren kleiner geworden.Quelle
Wichtige Quellen:
> Aktuelle Arbeitslosenquoten von ausländischen Staatsbürger*innen und Geflüchteten finden Sie im Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
> Aktuelle Zahlen zu Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt finden Sie in unserer Rubrik "Wie viele Flüchtlinge haben Arbeit? Wie viele nicht?"
Selbstständige und Unternehmer mit Migrationshintergrund
Einwanderer*innen gründen überdurchschnittlich häufig Unternehmen. Jede fünfte Firma wurde in den vergangenen Jahren von Menschen mit Migrationshintergrund gegründet.Quelle
Unter Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund gibt es in etwa so viele Selbstständige wie unter den Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund. Das zeigt die Befragung des Mikrozensus von 2019 (8,3 Prozent im Vergleich zu 9,7 Prozent).Quelle
Insgesamt gab es im Jahr 2019 in Deutschland etwa 860.000 Selbstständige aus Einwandererfamilien. Nach Schätzungen stellten sie in den Vorjahren über zwei Millionen Arbeitsplätze (Stand: 2014). Dabei haben die Bereiche Gastronomie und Handel abgenommen, während wissensbezogene Dienstleistungen wie Forschung, Beratung, Management und Organisation erheblich gestiegen sind.Quelle
Wie oft lassen Einwanderer ihre Abschlüsse anerkennen?
Im Jahr 2019 haben Bund und Länder rund 57.300 Anträge auf Anerkennung bearbeitet, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. 42.500 Berufsabschlüsse wurden ganz oder teilweise anerkannt. Zwei Drittel der Anerkennungen gab es in Gesundheitsberufen (27.700), vor allem für Pflegekräfte. Vergleichsweise wenige Anerkennungen gab es zum Beispiel bei Lehrerinnen und Lehrern (2.000).Quellen
Zum Hintergrund: Es gibt zahlreiche Berufe, in denen sich ausländische Arbeitskräfte unmittelbar bei Unternehmen bewerben können (zum Beispiel im Bereich KFZ-Mechatronik, im Einzelhandel oder als Tischlerin oder Tischler). Für einige Berufe benötigt man in Deutschland aber eine Zulassung (z.B. Ärztinnen und Ärzte oder Lehrkräfte). Für Zugewanderte heißt das, sie müssen zuerst ihre Abschlüsse anerkennen lassen, bevor sie in Deutschland in diesen Berufen arbeiten dürfen.
Für Berufe, die vom Bund geregelt werden, gibt es das Anerkennungsgesetz (z.B. Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte). Für Berufe, die auf Länderebene geregelt werden, gibt es für alle Bundesländer eigene Anerkennungsgesetze (z.B. bei Lehrkräften, bei Erzieherinnen und Erziehern oder in Ingenieurberufen). Die Regelungen weichen zum Teil stark voneinander ab. Die meisten Anerkennungen entfallen auf den Bund, etwa ein Fünftel auf die Bundesländer.Quellen
Wer lässt seine Abschlüsse anerkennen?
Die Personen, die im Jahr 2019 eine Anerkennung bekommen haben, kamen zu etwa je einem Drittel aus der EU, aus den übrigen europäischen Ländern sowie aus Ländern außerhalb Europas. Am häufigsten ließen Menschen aus Syrien ihre Abschlüsse anerkennen, gefolgt von Menschen aus Bosnien-Herzegowina und den Philippinen. Die meisten können künftig als Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte in Deutschland arbeiten.Quelle
In unserer Rubrik "Flucht und Asyl" finden Sie Zahlen und Fakten zu Flüchtlingen, die ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen möchten.
Eine bundesweite Übersicht von Beratungsstellen, die Einwanderer bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse unterstützen, bietet das IQ Netzwerk "Integration durch Qualifizierung".
Blaue Karte EU: Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte
Die Blaue Karte EU ist ist ein Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte aus Drittstaaten. Er ermöglicht es Menschen, die aus einem Land außerhalb der EU kommen, in einem Staat der Europäischen Union zu arbeiten. Die Blaue Karte ist das europäische Pendant zur US-amerikanischen "Green Card". Wer einen Job in Aussicht hat, kann so für zunächst vier Jahre nach Deutschland kommen. Ein Großteil der Blauen Karten EU wird in Deutschland ausgestellt (2018: 83 Prozent).Quelle
2019 wurden in Deutschland insgesamt 31.220 Blaue Karten erteilt. Diese Zahl steigt seit Einführung der Blauen Karte 2012 an, allerdings werden auch Menschen mitgezählt, die ihre Blaue Karte verlängern. Die Zahl der neu ausgestellten Karten ging zwischen 2016 und 2018 zurück und stieg zuletzt wieder an. Etwas weniger als die Hälfte der Blauen Karten gingen 2019 an Neuzugewanderte, die vorher keinen Aufenthaltstitel hatten (13.500 Blaue Karten). Etwas mehr erhielten Menschen, die bereits in Deutschland lebten und deren Karten verlängert wurden oder deren Status sich geändert hat (17.700 Blaue Karten).Quelle
2019 gingen die meisten Blauen Karten an Staatsangehörige aus Indien (28,8 Prozent), gefolgt von China (7,3 Prozent) und Russland (5,5 Prozent), der Türkei (5,3 Prozent) und dem Iran (4,2 Prozent).Quelle
Voraussetzungen: Die Blaue Karte wird nur an Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium erteilt. Außerdem benötigen sie einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Derzeit liegt die Untergrenze bei einem Jahresgehalt von 55.200 Euro. Für Ärzte, Ingenieure, IT-Fachkräfte und Naturwissenschaftler liegt das Mindestgehalt bei rund 43.000 Euro, da in diesen Branchen besonders viele Stellen unbesetzt sind. Die Blaue Karte ist auf maximal vier Jahre befristet und kann unter bestimmten Voraussetzungen in eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis münden.Quelle
Wer besitzt eine Blaue Karte EU?
Inzwischen leben etwa 100.000 Menschen in Deutschland, die im Besitz einer Blauen Karte sind oder waren (Stand: Ende 2019). Etwa zwei Drittel sind aktuell im Besitz einer Blauen Karte, ein Drittel hatte vormals eine Blaue Karte und hat inzwischen einen unbefristete Aufenthaltserlaubnis.Quelle
Die erste repräsentative BAMF-Befragung von Blaue-Karte-Inhaber*innen kam 2016 zu folgenden Ergebnissen:
- Zwei Drittel von ihnen sind in MINT-Berufen, etwa ein Fünftel als Ärzte tätig.
- Zwei Drittel sind verheiratet oder leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (61 Prozent). Der überwiegende Teil der Ehepartner*innen lebt ebenfalls in Deutschland (90 Prozent). 37 Prozent haben ein oder mehrere Kinder.
- Ein Drittel von ihnen kann sich vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben (31,4 Prozent) und 39 Prozent wollen mindestens zehn Jahre bleiben.Quelle
Ausländer in Leiharbeitsverhältnissen
Ausländer arbeiten in Deutschland überproportional häufig als Leiharbeiter: Ihr Anteil beträgt in der Leiharbeitsbranche 17,4 Prozent, während sie in allen anderen Sektoren 11,1 Prozent ausmachen. Zudem sind hier Männer und jüngere Arbeitnehmer überrepräsentiert. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) von 2014 hervor.
Die Untersuchung zeigt auch, dass ausländische Leiharbeiter im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen kürzer beschäftigt sind. 2012 blieben Deutsche im Durchschnitt 3,5 Monate beschäftigt, während Ausländer durchschnittlich drei Monate in Leiharbeitsverhältnissen waren.Quelle
Wie hoch ist der Fachkräftemangel?
Immer wieder wird Migration im Zusammenhang mit Fachkräftemangel diskutiert. Anlass gibt vor allem der demographische Wandel: Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es bis 2025 in Deutschland rund 6,5 Millionen weniger Erwerbspersonen, womit auch weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen werden.
Zwar ist der Fachkräftemangel ein Dauerthema, genaue Zahlen über das Ausmaß gibt es jedoch wenige. Laut der "Fachkräfteengpassanalyse" der BA liege zurzeit kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland vor, allerdings gebe es Engpässe in bestimmten Branchen und Regionen. So fehlten etwa Fachkräfte in 19 Berufsgruppen, vor allem in technischen Branchen sowie im Bereich Gesundheit und Pflege. Eine Karte des Portals zur Fachkräfte-Offensive des Bundes zeigt, dass es derzeit vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an Fachkräften fehlt.
Laut BA würden in Zukunft auch nicht-akademische Fachkräfte benötigt. Wie viele Fachkräfte der deutschen Wirtschaft künftig fehlen, hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel strukturellen Änderungen am Arbeitsmarkt oder der Konjunktur. Dazu gibt es verschiedene Vorausberechnungen:
- Das "Erwerbspersonenpotenzial" (ohne Wanderung und bei unveränderten Erwerbsquoten) wird bis 2050 um 16,2 Millionen Arbeitskräfte deutlich sinken, erklären Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Studie der Bertelsmann Stiftung von 2015. Mit anderen Worten: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter würde um 36 Prozent schrumpfen. Das müsse dringend durch Zuwanderung aufgefangen werden, so die Wissenschaftler. Pro Jahr würden zwischen 276 000 und 491 000 Einwanderer aus Drittstaaten benötigt. Quelle
- Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) von 2014 müssten pro Jahr 100.000 Personen mehr als bisher zuwandern, um die Engpässe längerfristig abmildern zu können, wie eine interaktive Grafik veranschaulicht.
- Ein Forschungsbericht der Europäischen Kommission und OECD von 2014 hat für die Europäische Union errechnet, dass die Zahl der Erwerbspersonen in den kommenden 30 Jahren um 6,5 Prozent sinken wird – das entspricht 21,7 Millionen Personen.
- Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos AG sagte 2012 voraus, dass bis zum Jahr 2020 rund 1,7 Millionen qualifizierte Arbeitnehmer fehlen werden und bis 2035 sogar vier Millionen. Solche Rechnungen sind allerdings umstritten, die Prognosen seien wenig belastbar, erklärte unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW).
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