Rechtspopulismus
Rechtspopulistische Parteien erzielen zunehmend Wahlerfolge, ihr gesellschaftlicher Einfluss wächst – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Doch was macht Rechtspopulismus genau aus? Und wie lässt er sich vom Rechtsextremismus unterscheiden? Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist Rechtspopulismus?
Als Populismus wird grundsätzlich ein Politikstil bezeichnet, der mit groben Feindbildern operiert und einfache, meist autoritäre Lösungen vorschlägt. Die Bevölkerung wird dabei in ein "Wir" und "die Anderen" aufgeteilt. Das "Wir" wird vermeintlich von einem "Establishment" oder einer "korrupten Elite" hintergangen. Populismus lebt von dieser moralisch aufgeladenen Polarisierung.Quelle
Während sich linker Populismus in der Regel gegen eine ökonomische Elite wendet, sind laut Fachleuten bei rechtspopulistischen Erzählungen "die Anderen" gewöhnlich Migrant*innen, Geflüchtete, ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten oder andere Gruppen. Sie werden nicht als Teil des "wahren Volkes" angesehen und daher ausgegrenzt. Den "Eliten" kümmern sich der Erzählung zufolge zu sehr um diese Gruppen und vergessen das "wahre Volk". Häufig werden auch Medien, Menschenrechtler*innen, Künstler*innen und Intellektuelle zu dieser "Elite" gezählt.Quelle
Exemplarisch für Rechtspopulismus ist Fachleuten zufolge zudem ein ausgeprägter Nationalismus. Andere Staaten, Staatenbündnisse wie die EU oder internationale Organisationen und Institutionen wie die UNO, die Weltbank oder die WHO dienen häufig als Feindbilder.Quelle
Was unterscheidet Rechtspopulismus von Rechtsextremismus?
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus unterscheiden sich in ideologischer Hinsicht. Im Gegensatz zu Rechtsextremismus hat Rechtspopulismus keinen klaren ideologischen Kern. Teilweise sind die Grenzen fließend, da sich rechtspopulistische Gruppierungen rechtsextreme Narrative aneignen.Quelle
Charakteristisch für rechtspopulistische Einstellungen sind:
- Demokratie wird nicht grundsätzlich abgelehnt (Aspekt der Volkssouveränität wird betont, der Schutz von Minderheiten etwa negiert)
- häufig: Forderungen nach mehr direkter Demokratie und Volksabstimmungen (viele Strömungen treten auch in Form von Bürgerbewegungen auf)
- ebenfalls häufig: Aneignung rassistischer und rechtsextremer Vorstellungen
- Ziel ist die Errichtung einer illiberalen Demokratie, die sich durch einen autoritären Regierungsstil ("Law and order") und die Ausgrenzung von Minderheiten und Andersdenkenden auszeichnet.Quelle
Charakteristisch für rechtsextremistische Einstellungen sind:
- Völkischer Nationalismus (die Zugehörigkeit zum "Staatsvolk" wird an ethnischen und rassistischen Kriterien festgemacht)
- Chauvinismus (der Glaube, das eigene "Volk" und dessen "Kultur" sei anderen grundsätzlich überlegen)
- Ablehnung gleicher Rechte für alle Menschen
- ausgeprägter Autoritarismus (Führerkult)
- Billigung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen
- Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus.Quelle
Welche rechtspopulistischen Parteien gibt es in Europa?
Anders als bei rechtsextremistischen Parteien (die vom Verfassungsschutz als solche eingestuft werden) gibt es keine klare Kategorisierung rechtspopulistischer Parteien. Die folgende Aufzählung orientiert sich an einer Übersicht, die die Politikwissenschaftlerin Britta Schellenberg für die bpb erstellt hat. Es handelt sich um eine Auswahl.Quelle
Deutschland:
Alternative für Deutschland (AfD)
- 2013 gegründet und seit 2017 im Bundestag vertreten
- Themen, unter anderem: Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik, Ablehnung der EU als politisches Bündnis, Leugnung des menschengemachten Klimawandels
- Parteivorsitzende: Jörg Meuthen und Tino Chrupalla
- Die Partei wird von Fachleuten und dem Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem eingestuft: Die Jugendorganisation der Partei, die Junge Alternative für Deutschland (JA), wird vom Verfassungsschutz beobachtet, ebenso die Landesverbände Brandenburg und Thüringen sowie der – inzwischen formell aufgelöste – "Flügel" der Partei.Quelle
Österreich:
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
- 1955 gegründet
- Themen: Minderung des Einflusses der EU, Ablehnung von Migration, globalisierungskritisch
- Parteivorsitzender: Norbert Hofer.Quelle
Schweiz:
Schweizerische Volkspartei
- 1971 gegründet
- Themen: Verschärfung des Asylrechts, Minarettverbot, Abschaffung der Rassismusstrafnorm
- Parteipräsident: Marco Chiesa
Dänemark
Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti)
- 1995 gegründet
- Themen: Ablehnung von Migration, ridige Begrenzung des Familiennachzugs, EU-kritisch
- Parteivorsitzender: Kristian Thulesen Dahl
Frankreich:
Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung), bis Juni 2018 noch "Front National"
- 1972 gegründet
- Themen: Ablehnung von Einwanderung, Austritt Frankreichs aus der Euro-Zone und dem Schengener Abkommen, Einführung von Schutzzöllen zum Schutz der französischen Industrie und Landwirtschaft; wird mitunter als rechtsextrem eingeordnet
- Parteivorsitzende: Marine Le Pen.Quelle
Italien:
Lega, bis 2018 noch "Lega Nord"
- 1991 gegründet
- Themen: Ablehnung von Migration, insbesondere von Muslim*innen und aus afrikanischen Ländern
- Parteichef: Matteo Salvini.Quelle
Niederlande:
PVV (Partei für die Freiheit)
- 2006 gegründet
- Themen: Ablehnung des Islam, Ablehnung von Migration, insbesondere aus Ländern mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil, Verringerung des Einflusses der EU
- Parteivorsitzender: Geert Wilders.Quelle
Polen:
PiS (Recht und Gerechtigkeit)
- 2001 gegründet
- Themen: Ablehnung einer EU-gesteuerten Verteilung Schutzsuchender, gegen die Legalisierung von Sterbehilfe, Abtreibung und die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften
- Parteivorsitzender: Jarosław Kaczyński.Quelle
Ungarn:
Fidesz (Ungarischer Bürgerbund)
- 1988 gegründet
- Themen: Ablehnung von Migration aus Ländern mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil, Ablehnung einer EU-gesteuerten Verteilung Schutzsuchender
- Parteivorsitzender: Viktor Orbán.Quelle
Welche Rolle spielt Migration für den Erfolg der Strömungen?
Migration spielt eine wichtige Rolle für viele rechtspopulistische Bewegungen. Sie ist ein Mobilisierungs- und ein Wahlkampfthema, bei dem häufig Zugewanderte und Geflüchtete als Feindbilder und Sündenböcke dienen.Quelle
Mehr Zuwanderung bedeutet aber nicht automatisch mehr Erfolg für rechtspopulistische Parteien und Bewegungen. Sie konnten in den letzten Jahren Erfolge verzeichnen:
- in manchen klassischen Einwanderungsländern (USA, Kanada, Australien),
- in europäischen Ländern mit längerer Einwanderungsgeschichte (Frankreich, Großbritannien, Niederlande),
- aber auch in Ländern, in denen es kaum Einwanderung gibt oder die stark von Auswanderung betroffen sind (zum Beispiel Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, Bulgarien).Quelle
Auch wenn mehr Geflüchtete kommen, führt das nicht direkt zu mehr Erfolgen von Rechtspopulisten. In manchen Ländern, die viele Geflüchtete aufgenommen haben, waren sie weniger erfolgreich. In anderen Ländern, die seit 2015 kaum Geflüchtete aufgenommen haben, konnten rechtspopulistische Parteien vergleichsweise stark zulegen.Quelle
Migration ist also nicht die Ursache für den Erfolg von Rechtspopulismus. Migration verschärft aber die Diskussionen über bestehende gesellschaftliche Konflikte, von denen populistische Bewegungen profitieren – zum Beispiel: Debatten über Identitätsverlust, dem Verlust von gesellschaftlichem Zusammenhalt, dem Verlust nationaler Souveränität oder Debatten um sozialen Abstieg.Quelle
Wer wählt rechtspopulistische Parteien?
Die Wähler*innen rechtspopulistischer Parteien kommen aus allen gesellschaftlichen Milieus und Schichten. Zwei Gruppen sind der Politologin Karin Priester zufolge dabei traditionell stark vertreten: Selbstständige aus der Mittelschicht, also Kaufleute, Handwerker*innen, Freiberufler*innen, sowie Arbeiter*innen, die sich von den Parteien der Linken nicht mehr vertreten fühlen. Wie das Beispiel der AfD zeigt, wählen Männer häufiger als Frauen rechtspopulistische Parteien.Quelle
Tendenziell haben rechtspopulistische Strömungen in Europa eher in ländlichen Regionen und in Kleinstädten Erfolg als in Großstädten und Metropolenregionen. Sie finden eher Anklang in strukturschwachen Regionen, die sich von aktuellen Entwicklungen abgehängt fühlen. Jedoch erzielen rechtspopulistische Parteien in Europa auch in einigen der reichsten Regionen und Länder gute Ergebnisse (Schweiz, Dänemark, Norditalien und Südfrankreich).Quelle
Wer wählt die AfD?
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2017 stammen die Wähler*innen der AfD zwar aus der „Mitte der Gesellschaft“, mit 2.200 Euro Nettoverdienst im Monat verdienen sie allerdings etwas besser als der Durchschnitt. Arbeitslose stellen nur eine kleine Gruppe der AfD-Wähler*innen. Das spricht gegen die These, die Partei werde vor allem von den „Abgehängten“ gewählt. 55 Prozent der AfD-Wähler*innen verfügten 2016 laut IW über ein mittleres Bildungsniveau, 25 Prozent über ein hohes, 20 Prozent über ein niedriges. Viele blickten der Studie zufolge dennoch pessimistisch in die Zukunft und fühlten sich "ausgeliefert".Quelle
Der Politologe Philip Manow sagt, AfD-Wähler*innen seien weniger von einem tatsächlichen Statusverlust bedroht, als von der Angst um ihn angetrieben. Manow hält Rechtspopulismus für eine Reaktion auf die Globalisierung.Quelle
Viele AfD-Hochburgen weisen eine schrumpfende Einwohner*innenzahl und ein niedriges Durchschnittseinkommen auf. Aber auch prosperierende süddeutsche Industriestädte wie Ingolstadt und Heilbronn zählen dazu.Quelle
Diverse Studien zeigen, dass AfD-Wähler*innen in vielen politischen Fragen weit rechts vom Durchschnitt der deutschen Bevölkerung stehen. Der Soziologe Holger Lengfeld sagt, nicht die soziale Lage, sondern die Kritik an der Flüchtlingspolitik und eine generelle Unzufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland verbinde die Wähler*innen der AfD. AfD-Wähler*innen weisen in den Befragungen zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" regelmäßig die höchsten Zustimmungswerte zu rassistischen, flüchtlings-, islam- und transfeindlichen sowie zu antiziganistischen, sexistischen und homophoben Aussagen auf.Quelle
Rechtspopulistische Einstellungen in der Bevölkerung
Laut der Bielefelder „Mitte“-Studie haben 21 Prozent der deutschen Staatsbürger*innen rechtspopulistische Einstellungen. Dazu gehören unter anderem Misstrauen in die Demokratie sowie die Abwertung von Geflüchteten. Weitere 42 Prozent der Befragten zeigten eine Tendenz zu rechtspopulistischen Einstellungen.Quelle
Laut dem Populismusbarometer der Bertelsmann Stiftung ist die Zahl der populistisch eingestellten Menschen in Deutschland seit 2018 zurückgegangen. Im Juni 2020 waren rund 21 Prozent der Wahlberechtigten klar populistisch eingestellt. Ende 2018 waren es noch knapp 33 Prozent, heißt es in der Studie.Quelle
Populistische Einstellungen können zusammen mit unterschiedlichen politischen Orientierungen auftreten. Am rechten Rand des politischen Spektrums sind sie jedoch am weitesten verbreitet, so der Populismusbarometer.Quelle
Einstellungen unter AfD-Wähler*innen
Vergleicht man die Wähler*innen der rechtspopulistischen AfD mit den Wähler*innen anderer Parteien, zeigt sich: Die Wähler*innen der AfD sind am häufigsten populistisch eingestellt: 38 Prozent gelten laut der Studie als "klar populistisch", weitere 35 Prozent sind zumindest "teils/teils populistisch". Zudem hat die Mehrheit der AfD-Wähler*innen latent oder manifest rechtsextreme Einstellungen (latent rechtsextrem: 27 Prozent, manifest rechtsextrem: 29 Prozent).Quelle
Die Ergebnisse des Populismusbarometers zeigen auch: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die AfD ab. 71 Prozent halten „sehr wenig“ von der Partei.Quelle
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Neues Dossier Was ist Rechtspopulismus?
Was macht den Rechtspopulismus aus? Welche Rolle spielt das Thema Migration? Und was sind die größten rechtspopulistischen Parteien in Europa? Der MEDIENDIENST hat dazu ein neues Dossier erstellt.
Migrationspolitik in Europa Wie Rechtspopulisten Einfluss nehmen
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Mitte-Studie Vorbehalte gegen Asylsuchende nehmen zu
Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet Demokratie und Vielfalt. Zugleich haben jedoch mehr als 50 Prozent der Bevölkerung Vorbehalte gegen Asylsuchende. Und rechtspopulistische Einstellungen verfestigen sich. Das zeigt die neue „Mitte-Studie“ der Universität Bielefeld.